02/07/2024 0 Kommentare
"Du siehst mich" - Gedanken zum Kirchentag
"Du siehst mich" - Gedanken zum Kirchentag
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"Du siehst mich" - Gedanken zum Kirchentag
Morgens in der U-Bahn, noch etwas müde und mit den Gedanken schon am Arbeitsplatz – was sieht man? Die Menschen, die im gleichen Wagen sitzen, die Gesichtszüge, die etwas über den Menschen erzählen, den Müll, der am Boden rumliegt – oder: Die Zeitung, die genau dieser „Unterwegs-Zeit“ einen Inhalt gibt?
Unser Hinsehen ist von unserem Interesse geleitet. Wir suchen etwas oder lassen uns treiben von den ungeahnten Möglichkeiten selber „entdeckt“ zu werden. Und oft sehen wir auch mehr, als wir sehen wollen: Die Schlafenden auf der Parkbank oder das müde Kindergesicht am Rande einer Gruppe spielender Kinder. Sehen ist aktive Wahrnehmung. Auch wenn nicht aus jedem Blickkontakt eine Begegnung, ein Gespräch oder eine flüchtige Beziehung wird – irgendetwas bleibt.
Hast du mich denn nicht gesehen? Das ist die enttäuschte Frage, wenn die erhoffte Aufmerksamkeit des oder der anderen nicht gereicht hat.
„Du siehst mich“ unter diesem Motto feiern wir in Berlin und Potsdam den 36. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Berlin. Es ist ein großes Fest mit vielen Gottesdiensten, Veranstaltungen und inhaltlichen Impulsen ganz unterschiedlicher Art. Das Motto stammt aus einer biblischen Wüsten-Geschichte. Eine schwangere Frau, Hagar, flieht in die Wüste, weil sie für sich und ihr Kind keine Lebensperspektiven mehr sieht. Gott begegnet ihr durch einen Engel, der sie durch eine überraschende Verheißung stärkt: Ihr noch ungeborenes Kind wird zahlreiche Nachkommen haben. Die hinausgejagte Frau bekommt einen neuen Handlungsspielraum.
„Gott sieht mich“ – so erzählt sie in der biblischen Tradition von Gott. Die Stärke der Übersehenen liegt darin, dass sie von Gott gesehen werden. Das rückt auch unser Sehen immer wieder zurecht.
Wir sehen, das was sich vor Augen stellt und übersehen manchmal genau die, die Gott sieht. Und wenn alle an uns vorbeisehen, weil wir keine Aufmerksamkeit erringen können oder unser Leben und Arbeiten im Schatten von anderen stattfindet – auch dann sind wir von Gott gesehen.
„Du siehst mich“ ist unser Trost in den Schattenzeiten unseres Lebens – und die göttliche Herausforderung, wenn wir in unseren Sonnenzeiten die übersehen, die im Schatten leben.
„Du siehst mich“ – überall laden Kirchengemeinden, Initiativen, Musik- und Theatergruppen in Häusern und auf Plätzen ein, beim Kirchentag mitzumachen. Lassen Sie sich gerne darauf ein – Neues zu sehen und auch neu gesehen zu werden.
Das eine oder andere wird bleiben – für den eigenen Weg nach dem Kirchentag.
Ich wünsche Ihnen gute und gesegnete Kirchentags-Tage!
Ihre
Viola Kennert
Superintendentin
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Foto: Gerd Herzog
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