02/07/2024 0 Kommentare
"AUCH MAL UM DIE ECKE SCHAUEN" - Im Gespräch mit Claudia Mieth
"AUCH MAL UM DIE ECKE SCHAUEN" - Im Gespräch mit Claudia Mieth
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"AUCH MAL UM DIE ECKE SCHAUEN" - Im Gespräch mit Claudia Mieth
Seit Anfang 2016 war sie Schulpfarrerin in Neukölln; jetzt ist sie für die Beratung von Gemeinden zuständig: Claudia Mieth hat die Nachfolge von Gabriele Fichtenhofer als Gemeindeberaterin im Kirchenkreis Neukölln angetreten. Ein Gespräch über Pädagogik, Theologie und den Stellenwechsel in Zeiten von Corona.
Sie sind in der DDR aufgewachsen. Wie entstand Ihre Nähe zur Kirche?
Ich bin in Naumburg an der Unstrut geboren, aber aufgewachsen in Berlin-Friedrichshain. Bis zu meinem zwölften Lebensjahr lebte ich in zwei parallelen Welten – in der Schule mit dem Pionierdasein und in der Kirchengemeinde „Auferstehung“. Meine Mutter vor allem hat sich dort sehr engagiert - bei manchem war ich dabei, von vielem habe ich erst hinterher erfahren.
Mit der Wende war alles anders - die Schule, die Lehrer, meine Eltern beide arbeitslos, viele Freunde plötzlich weg, unsere Babysitterin entpuppte sich als unser Spitzel. Aber die Kirche war da. Und so wuchs ich immer mehr in eine behütende Kirchenlandschaft hinein, die sehr von Zusammenhalt und auch Kreativität geprägt war.
Und die Ihnen dann auch beruflich zur Heimat wurde?
Genau. Nach dem Abitur begann ich das Studium der Gemeindepädagogik. Die Verbindung aus Pädagogik, Seelsorge und Theologie hat mich von diesem Studiengang überzeugt. Nach meinem Diplom habe ich noch zwei Jahre Sozialpädagogik studiert. So hat es mich das erste Mal nach Neukölln verschlagen: Ein ganzes Semester Praktikum im Jugendamt Neukölln – das war eine erschreckend neue Welt für mich. Nach dem Vikariat und meiner ersten Pfarrstelle in St. Thomas in Kreuzberg habe ich entschieden, mich auf meine Leidenschaft für das pädagogische Arbeiten zu konzentrieren und hatte Glück, dass im Februar 2016 ausgerechnet in Neukölln die Stelle der Schulpfarrerin neu besetzt wurde.
Was prägte diese Zeit als Schulpfarrerin?
Neben dem großen Teil der pädagogischen Arbeit an der Schule in Buckow war von Beginn an die Arbeit auf Kirchenkreisebene eine, die ich spannend fand. Die Kommunikation zwischen den zwei Welten Schule und Gemeinde ist ja nicht gerade die einfachste – aber sie ist nicht unmöglich und da, wo sie gelingt, auch sehr bereichernd für die Mitarbeitenden und die Kinder und Jugendlichen, die davon profitieren.
Warum dann jetzt der Abschied von der Schule?
Schule ist großartig! Die pädagogische Arbeit ist immer wieder ein Geschenk – und kirchliche Arbeit in einem säkularen Raum eine spannende Herausforderung. Es war nicht so, dass ich weg wollte – ich merkte aber zunehmend, dass mir die schulischen Rahmenbedingungen zeitlich und inhaltlich zu eng wurden. Ich hatte fünf Mal alle Themen in den Klassenstufen durch, habe alle Gottesdienste fünf Mal gefeiert und einige neue Konzepte zum Laufen gebracht. Als ich dann die Stellenausschreibung für die Gemeindeberatung in Neukölln gelesen habe, war mir gleich klar, dass ich das noch lieber machen würde als Schule.
Was reizt Sie an der Gemeindeberatung?
Gemeinde – das sind immer Menschen. Und wo Menschen sind, wird kommuniziert. Kommunikationsebenen schaffen – das ist das, worauf ich große Lust habe. Das Ziel, der Weg, die Sprache werden vorgegeben von denen, die miteinander auf dem Weg sind. Diese Wege zu begleiten heißt für mich: Fragen zu stellen, wo Antworten klar scheinen. Zuhören ermöglichen, wo alles schon gesagt scheint. Unmöglichem eine Form anbieten, wo alle gewohnten Formen nicht so recht passen wollen. Zu Schritten ermutigen, wo der Weg zu Ende scheint. Und Perspektiven wechseln – auch mal um die Ecke schauen.
Der Reiz der Stelle liegt für mich auch darin, dass ich hier meine Interessen, Stärken und bisherigen Arbeitsschwerpunkte verbinden kann: die Theologie, das pädagogische Arbeiten auch mit Erwachsenen und meine Coachingerfahrungen.
Wie lief der Stellenwechsel in Coronazeiten?
Die Kommunikation in Coronzeiten ist anstrengend geworden und das macht müde. Aber für einen Stellenwechsel hätte es keinen besseren Zeitpunkt geben können – seit den Herbstferien ist Religionsunterricht an der Grundschule am Sandstein aus Infektionsschutzgründen ausgesetzt. Es gibt lediglich Unterrichtsunterstützung und Betreuung. Religionsunterricht, so wie ich ihn liebe und schätze, ist digital unmöglich.
Auch Gemeindeberatung und Lektorenfortbildung sind erst mal nicht möglich. Den Januar nutze ich als Planungsmonat, schaue mir an, was all die Jahre von Gabriele Fichtenhofer so liebevoll und vielfältig aufgebaut wurde, arbeite mich thematisch langsam ein und nehme Kontakt zu denen auf, mit denen ich Berührungspunkte haben werde. Ich freue mich sehr auf die Arbeit mit und in den Gemeinden, mit den Lektor*innen und im Kirchenkreis – und bin gespannt, was sich neu entwickelt, welche Ideen entstehen und was sich bewegen lässt.
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