"Von Träumen, die die Welt verändern" - Grußwort zum 50. Jubiläum der Martin-Luther-King-Kirche in der Gropiusstadt​

"Von Träumen, die die Welt verändern" - Grußwort zum 50. Jubiläum der Martin-Luther-King-Kirche in der Gropiusstadt​

"Von Träumen, die die Welt verändern" - Grußwort zum 50. Jubiläum der Martin-Luther-King-Kirche in der Gropiusstadt​

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"Von Träumen, die die Welt verändern" - Grußwort zum 50. Jubiläum der Martin-Luther-King-Kirche in der Gropiusstadt​

Grußwort zum 50. Jubiläum der Martin-Luther-King-Kirche
in der Gropiusstadt Martin-Luther-King-Kirche, Ev. KG in der Gropiusstadt 29. April 2018

Sehr geehrter Bischof Dröge, sehr geehrter Herr Bezirksbürgermeister Hikel, liebe Kolleginnen und Kollegen im Pfarrdienst, liebe Mitglieder des Gemeindekirchenrats, liebe Gemeinde, liebe Gäste, sehr verehrte Damen und Herren!

Träumen, so sagt man, legen die Sehnsüchte der Seele offen. Ich meine nicht unbedingt die wirren Träume, die einen nachts nicht schlafen lassen. Sondern ich meine die Träume und die Bilder, die einen nicht loslassen. Die Träume und Bilder, die die Hoffnung offenhalten, dass diese Welt einmal verändert wird, dass nicht immer nur der Stärkere Recht behält, dass nicht immer die rohe Gewalt sich durchsetzt, dass nicht der Tod immer das letzte Wort hart.

Von solchen Träumen lebt diese Welt. Vielleicht am Bekanntesten ist da die berühmte Rede von Martin Luther King von 1963 „I have a dream“. Und er träumte darin nicht für sich, wohl aber für seine Kinder, von einem Amerika, in dem die Volksgruppen und Rassen friedlich neben - und miteinander leben, in der nicht Kriterien von Hautfarbe, von Herkunft, von finanziellen Möglichkeiten das Leben der Menschen bestimmen. Manches hat er mit diesem Traum in Bewegung gesetzt, viele der gesetzlichen Diskriminierungen fielen, aber nicht alles hat sich realisieren lassen – und wir könnten aus unserem Land auch manches Beunruhigendes dazu berichten.

Aber dennoch, solche Träume könnten uns selbst und damit die Welt verändern, oft erst unscheinbar. Aber sind sie erst einmal geträumt und ausgesprochen, können sie nicht mehr weggesperrt oder totgeschwiegen werden. In dem Land, in dem ich die letzten Jahre gelebt habe, Südafrika, ist dieser Traum von Martin Luther King durch Nelson Mandela, denn 100. Geburtstag sich am 18. Juli jährt, oder auch durch Desmond Tutu weitergeführt worden. Und er bleibt aktuell, in Amerika, in Südafrika, aber eben auch hier bei uns in Deutschland.

Martin Luther King hat diesen Traum mit dem eigenen Leben bezahlt. Aber er hat seine Wirkung entfaltet, auch und gerade hier in Berlin, das er 1964 besucht hatte. Da war die Kirchengemeinde, der Gotteshaus heute 50 Jahre alt wird, schon gegründet und die Planungen für einen Kirchbau hier schon begonnen. Als am 4. April 1968 King ermordet wurde, war hier in der entstehenden Gropiusstadt schnell klar, das die neue Kirche seinen Namen tragen sollte. Das war Bekenntnis, und zwar in zweierlei Hinsicht. Es war ein Bekenntnis gegen einen falschen Konfessionalismus.
Eine Kirche, die nach einem baptistischen Pastor benannte wurde – das war durchaus ungewöhnlich. Aber es war ebenso ein politisches Signal. „Ohne Rücksicht auf die Schranken der Rasse, des Bekenntnisses, der Ideologie oder Nationalität“ war es für King die „gemeinsame Menschlichkeit, die uns für die Leiden empfindlich macht“ – das hatte er 1964 in Berlin gesagt. Und die gemeinsame Menschlichkeit, die Wahrung der unverletzliche Menschenwürde – das war und ist auch heute Aufgabe der Kirchen, auch und gerade, weil die Kirchen sich im Laufe ihrer Geschichte hier manche Schuld auf sich geladen hatten. Für King war klar, dass die Botschaft von der gemeinsamen Menschlichkeit sich nicht zuletzt aus den Wurzeln seines christlichen Glaubens herleitete, ja, dass die Menschlichkeit Gabe wie Aufgabe des Glaubens ist.

Das hatte und hat Auswirkungen für die Arbeit, die hier an diesem Ort, aber auch an den anderen Standorten der heutigen KG in der Gropiusstadt getan wurde und getan wird. Ich erinnere an die Verständigungs- und Friedensarbeit mit Blick auf die östlichen Nachbarländer ebenso wie an die soziale Arbeit hier im Kiez oder die Kontakte nach Soweto. Und auch heute spiegelt sich das in einer Gemeinde wieder, die nicht nur Gottesdienst feiert, sondern in der Arbeit mit Familien, mit Kindern, mit Jugendlichen, aber auch im sozialdiakonischen Bereich nach außen wirken will, der die Kümmernisse, das Leiden, die Not der Anderen nicht egal ist, sondern darin ihren Ruf erkennt.

Manche Stimmen, die ich in den letzten Tagen gehört habe, sagten aber auch: schade, dass diese wunderbare Kirche, die in ihrer architektonischen Form offen ist für ihre Umwelt, nun ganz im Schatten der neuen Gropiuspassagen liegt. Allerdings, die Hinweise auf sie fehlen nicht, auch nicht in den Gropiuspassgen. Sie ist, auch wenn das bauliche Umfeld sich geändert hat, kein Kirche mit einer Schatten- und Randexistenz. Und auch die Gemeinde, die zu dieser Kirche gehört, zieht sich nicht in sich selbst zurück. Sie bleibt offen für die Welt, sie erinnert schon durch ihren Namen an jeden Traum von der gemeinsamen Menschlichkeit, die für uns Christenmensch eine Gabe Gottes ist, die uns zugleich vor die Aufgabe stellte, diesen Traum immer neu zu stellen: gegen alle politischen Extremisten, die die Menschen einsortieren nach Rasse, Klasse, nach Hautfarbe etc. Gegen alle Versuche, uns diese Würde zu nehmen. Manchmal scheint es vielleicht, dass dieser Traum verblasst. Wir brauchen diese Träume gegen den Tod, die Zerrissenheit, auch das Zerbrechen manch unserer Lebensplanungen und Lebenswünsche. Aber wir müssen ihn immer neu träumen, hier, in dieser Kirche, in dieser Gemeinde, hier in Neukölln und in unserer Stadt. Es ist der Traum, der auch in unseren biblischen Schriften lebendig ist.
Heißt es nicht in Psalm 126:

„Wenn der Herr die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden. Dann wird unser Mund voll Lachens und unsre Zunge voll Rühmens sein. Da wird man sagen unter den Völkern: Der Herr hat Großes an ihnen getan!“

Ich gratuliere der Gemeinde, aber ich gratuliere ebenso der ganzen Gropiusstadt zu diesem Jubiläum. Und ich wünsche ihn viel Kraft, viel Fantasie, viel gute Träume für die kommenden 50 Jahre!

Supintendent Dr. Christian Nottmeier

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