„MÖGE DIE MACHT MIT DIR SEIN“ – ein Gottesdienst zur Begrüßung von Frederik Spiegelberg

„MÖGE DIE MACHT MIT DIR SEIN“ – ein Gottesdienst zur Begrüßung von Frederik Spiegelberg

„MÖGE DIE MACHT MIT DIR SEIN“ – ein Gottesdienst zur Begrüßung von Frederik Spiegelberg

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„MÖGE DIE MACHT MIT DIR SEIN“ – ein Gottesdienst zur Begrüßung von Frederik Spiegelberg

Am 4. September, wurde Frederik Spiegelberg als Kreisjugendpfarrer und Pfarrer in der Ev. Hephatha-Kirchengemeinde begrüßt und eingesegnet. Anna Maria Weber war dabei und berichtet. Sie ist Teil von„ACT e.V.“ ist, einem Verein, der Frederik Spiegelberg am Herzen liegt.

Diese Geschichte ist für alle, die manchmal verzweifeln. Für die, die tagtäglich versuchen, die Welt zum Besseren zu verändern:
An einem Sonntag saß ich um 14 Uhr in einer kleinen evangelischen Kirche im bürgerlichen Teil von Neukölln neben einem netten älteren Herrn, der freundlich sein Gesangbuch mit mir teilte, in einer Kirche, die bis auf den letzten Platz gefüllt war.

Frederik, so erfuhr ich im Gottesdienst schon zu Anfang, hatte hier schon seit fast einem Jahr Vertretung als ehrenamtlicher Pfarrer gemacht. Die Stimmung war vertraut und feierlich. Und was ich dann erlebte, war eine kleine, zarte Revolutionsgeschichte. Eine Geschichte, bei der ich auch meinen eigenen konservativen Prägungen dabei zusehen durfte, wie sie sich immer wieder kurz meldeten und riefen: »Aber das geht doch nicht!«, nur um dann erleichtert festzustellen: »Ah, geht doch!«

Das erste Mal meldeten sich meine inneren Aufpasser, als zu Beginn völlig selbstverständlich thematisiert wurde, dass Frederik fast vier Jahre nicht arbeitsfähig gewesen war auf Grund einer Depression. »Aber das untergräbt doch seine Autorität« rufen meine inneren Aufpasser und haben Angst vor Kontrollverlust.

»Nein, im Gegenteil« stelle ich fest. Denn mittlerweile erzählt die Pfarrkollegin, wie viel sie als Gemeinde jetzt schon von Frederik gelernt haben, z.B. dass es wirklich möglich ist, über Probleme und Schwierigkeiten offen sprechen zu können.

Es folgt die Segnung, bei der drei Kolleg: innen ihm die Hände auf Kopf und Schultern legen und ihm gute Wünsche für seine Tätigkeit mit auf den Weg geben. »Möge die Macht mit dir sein.« höre ich und bin kurz irritiert. War das jetzt aus Star Wars? »Möge die Macht Gottes mit dir sein.« Ach nee, ich habe mich bestimmt verhört. Star Wars und Kirche geht ja auch nicht, oder? Offenbar doch. Denn nach der Segnung erklingt hübsch auf dem Klavier gespielt die Titelmelodie und ich muss lächeln. Einige um mich herum grinsen ebenfalls. Ein fröhliches Augenzwinkern.

Doch nun wird es seriös. Der Talar wird angelegt, Frederik geht gemessenen Schrittes zur Kanzel empor. Meine konservativen Prägungen sind seltsam zufrieden und machen es sich gemütlich. Es geht um eine Bibelstelle, eine Heilungsgeschichte. Die Geschichte, wie Jesus Hephata von Taubheit und Verstummtsein geheilt hat. (Ein Störgefühl möchte ich dazu noch benennen: Der Zusammenhang von Behinderung und Heilung ist problematisch. Es gibt dazu einen Podcast vom Bayrischen Rundfunk.*

Frederik schlägt die bildliche Brücke zu seiner eigenen Geschichte. Wie die Depression seine Gefühle hat taub werden lassen und wie er selbst verstummt war. Wie er dann aber gelernt hat, für seine Bedürfnisse einzustehen, Hilfe anzunehmen, Worte zu finden. Und er schlägt die Brücke zu Menschen, die über die Pandemie ins Abseits geraten sind oder sich selbst dorthin gebracht haben. Er schafft es, gleichzeitig klar und verbindend zu sprechen und ich bekomme eine Ahnung davon, mit welchen Themen die Gemeinde und die Familien hier zu kämpfen haben und wie groß die Sehnsucht danach ist, wieder zueinander zu finden.

Dass diese Einladung an die Akzeptanz von Vielfalt und Menschlichkeit gebunden ist, wird klar, als die Jugendlichen das Ruder übernehmen. Umsichtig decken sie den Altar und das Kreuz mit Malerfolie ab, stellen eine riesige Leinwand vorne hin und beginnen zu malen. Aus den Boxen tönt der Song »Glitzer« von der queerfeministischen Rapperin Sukini, in dem es um die Auflösung traditioneller Geschlechterbilder geht. »Moment mal!« rufen meine konservativen Prägungen. »Jetzt verlässt doch bestimmt die Hälfte der Anwesenden empört die Kirche.«

Aber genau das passiert nicht. Der Raum hält kurz den Atem an und dann entspannen sich einfach alle wieder. Diese jungen Menschen sind die Kinder und Enkel:innen der Anwesenden und vorne steht ein lächelnder, gelassener Pfarrer mit seinen Kolleg:innen und strahlt Ruhe aus. So lässt sich Irritation offenbar aushalten. So lässt sich sogar ganz munter mit dem Fuß wippen ...

Mir treten Tränen in die Augen. Was ich hier sehe, ist eine kleine Revolution. Aber eine zarte, umsichtige. Eine, bei der es keine Opfer gibt, sondern viele kleine Einladungen. Einladungen, einfach man selbst zu sein und das auch allen anderen zu gönnen.

Auf dem Nachhauseweg denke ich an Malte. Ein junger Trans-Mann, der vor einigen Tagen verstorben ist, weil er beim CSD in Münster von einem queerfeindlichen Mann brutal zusammengeschlagen wurde. Er hatte versucht, eine Gruppe Frauen zu schützen, die zuvor verbal angegriffen worden waren. Ich denke darüber nach, wie Worte und Haltungen zu Handlungen werden. Wie Worte zu Hass und Gewalt werden können. Aber auch zu Mitgefühl und Verbindung. Zum Beispiel mit Klarheit, Zartheit und Glitzer. Zum Beispiel in einer kleinen Gemeinde in Neukölln. Denn dort arbeitet jetzt ein »Türwächter der Freiheit im Talar« und zwinkert uns zu.

* https://www.br.de/mediathek/po...



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